If it’s broken, don’t fix it
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Im modernen Fußball gilt: Fernsehen ist Geld! Lang vorbei sind die Zeiten, in denen die Tageskasse, Ticket-Vorverkäufe oder Merchandising-Einnahmen die primären, verlässlichen Umsatztreiber der Vereine waren. Nein, heute stützen sich Profi-Clubs neben gelegentlichen Spielerverkäufen auf mediale Verwertungsrechte und Sponsoring-Einnahmen als konstante Geldquellen.
Dafür reicht ein Blick auf die Zahlen der Bundesligisten. Borussia Dortmund erwirtschaftete laut dem neusten Konzernabschluss in der Saison 2021/2022 circa 352 Millionen Euro. 80 Millionen Euro – und damit 22,7 Prozent des Gesamtumsatzes – stammen aus den TV-Geldern.
Generell lässt sich beobachten: Je kleiner der Verein, desto wichtiger die Fernseh-Einnahmen. So gesehen etwa am Beispiel des FC Augsburg. Denn die Fuggerstädter setzten laut dem letzten veröffentlichten Jahresabschluss (für die Saison 2020/2021) 91 Millionen Euro um. Und die medialen Erlöse machten mit 42 Millionen Euro fast die Hälfe des Gesamtumsatzes aus.
Politikum ‘Verteilungsschlüssel’
Dementsprechend ist jedes von der Deutschen Fußball Liga neu geschnürte TV-Rechtepaket hochbrisant. Es wird nämlich mit jedem neuen Deal auch der Verteilungsschlüssel der eingenommenen Fernsehgelder neu diskutiert – und damit, wie viel jeder Verein aus dieser Erlösquelle erhält.
Für den nächsten TV-Deal, die DFL verhandelt derzeit mit bestehenden und potenziellen neuen Partnern die Übertragungsrechte ab der Saison 2025/2026, bringen sich dementsprechend bereits die Clubs in Stellung. Und die Diskussionen um den neuen Verteilungsschlüssel könnten es in sich haben. Es droht ein „Bürgerkrieg” in der Bundesliga: Traditionsvereine gegen Investorenclubs. Warum? Viele eher reichweitenstarke Vereine fühlen sich vom derzeitigen Verteilungsmechanismus benachteiligt. Eintracht Frankfurt, Schalke 04, der VFB Stuttgart, Werder Bremen, der VFL Bochum, Hertha BSC, der HSV und Fortuna Düsseldorf haben sich daher im Team fanintensive Vereine zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist eine Neustrukturierung des Verteilungsschlüssels der TV-Gelder.
So werden die TV-Gelder in Deutschland verteilt
Derzeit schüttet die DFL pro Saison circa 1,1 Milliarden Euro Fernseheinnahmen pro Saison anhand von vier Säulen aus. Säule eins umfasst 53 Prozent dieser Erlöse und wird unter allen Profi-Clubs gleich verteilt. So erhält jeder Bundesligist laut fernsehgelder.de garantiert 25,8 Millionen Euro pro Jahr und jeder Zweitligist knapp sieben Millionen Euro.
Die zweite große Säule des Verteilungsschlüssels (42 Prozent der TV-Gelder) wird anhand der Leistungen der Fußballclubs vergeben.
Zunächst werden 24,5 Prozent der Erlöse anhand einer „getrennten Fünfjahreswertung” verteilt. Das bedeutet: Es gibt einen Topf für die Erstligisten und einen separaten Topf für die Vereine der zweiten Bundesliga. Beide Töpfe bekommen einen Anteil an den TV-Geldern zugewiesen, die anhand der Leistungsstärke der Vereine in den vergangenen fünf Jahren ausgeschüttet werden. Für die Fünfjahrestabelle werden die vergangenen Saisons im Verhältnis 5:4:3:2:1 gewichtet. Sprich, die aktuellste Saison wird um das fünffache höher bewertet als die älteste; die vorletzte dann um das vierfache und so weiter.
Weitere 17 Prozent der TV-Einnahmen erhalten die Clubs auf Basis einer „gemeinsamen Fünfjahrestabelle”. Es werden also nicht mehr Erst- und Zweitligisten getrennt, sondern eine Tabelle mit den Plätzen eins bis 36 aufgestellt. Die Gewichtung der Saisons ist wie im anderen Leistungspaket 5:4:3:2:1.
Zu guter Letzt werden noch einmal 0,5 Prozent der Gelder anhand einer gemeinsamen Zehnjahreswertung verteilt.
Die dritte Säule im Verteilungsschlüssel belohnt die Vereine für gute Jugendarbeit: Je mehr Einsatzminuten Local Player unter 23 Jahren bei einem Verein erhalten, desto höher werden sie gelistet. Insgesamt drei Prozent der 1,1 Milliarden pro Saison werden anhand der Performance in der Nachwuchsförderung vergeben.
Abschließend werden zwei Prozent gemäß dem öffentlichen Interesse an einem Club ausgeschüttet. Als Grundlage dafür gilt die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse.
Die Kritik des Teams fanintensive Vereine
Der geringe Anteil der vierten Säule steht im Zentrum der Kritik des Team fanintensive Vereine. Sie monieren, dass sie die Fans vor den Fernseher locken und Reichweite generieren – und damit den Grund schaffen, warum TV-Partner Milliardenbeträge an die DFL überweisen – aber dafür nicht entsprechend belohnt werden. Ihr Argument: Reichweite ist im Profifußball nur bedingt an die Leistung eines Vereines gekoppelt. Der FC Schalke 04 stieg vergangene Saison beispielsweise als Vorletzter der Bundesliga ab, dennoch hatte der Verein im Stadion und vor dem Fernseher den dritthöchsten Zuschauerschnitt der Liga.
Und tatsächlich profitieren einige kleine Vereine sowie eher reichweitenschwache Clubs aus den oberen Tabellengefilden aufgrund der großen Relevanz des Faktors Leistung im Verteilungsschlüssel überdurchschnittlich. Zum Beispiel erhält Bayer Leverkusen für jeden Zuschauer, den der Club bei einer TV-Übertragung vor den Bildschirm lockt, 39,30 Euro. RB Leipzig erhält 29,18 Euro, Hoffenheim 30,17 Euro.
Auf der anderen Seite kriegen Vereine, die Quote generieren, sportlich tabellar aber unterperformen, unterdurchschnittlich wenig für die erbrachte Reichweite. Stuttgart erhält beispielsweise nur etwa 8,85 Euro pro mitgebrachtem Fernsehzuschauer, Werder Bremen etwa 8,05 Euro und der FC Schalke 04 gerade einmal 6,36 Euro. Erstaunlicherweise wird auch der FC Bayern mit 5,44 Euro pro Fan unterdurchschnittlich entlohnt – obwohl der Verein nicht nur Zuschauer vor den Bildschirm holt, sondern auch den Leistungsblock dominiert.
Unten im Artikel findet ihr eine genaue Berechnung und Auflistung, wieviel jeder Bundesliga-Verein für jeden mitgebrachten TV-Zuschauer an einem Spieltag bekommt.
In der Premier League wird ein Großteil der Gelder paritätisch verteilt, so erhält auch ein Kellerkind wie Burnley deutlich mehr aus den Einnahmen.
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Ein Blick über den Tellerrand
Problematisch für die selbsternannten fanintensiven Vereinen ist, dass sie aufgrund der Zentralvermarktung und des Verteilungssystems ihren großen Trumpf, die Reichweite, nicht monetarisieren können. Im Gegenteil: Sie subventionieren kleine Vereine und Investorenclubs praktisch quer.
Und im internationalen Vergleich zeigt sich: In keiner europäischen Top-Liga spielt der Faktor Leistung im Verteilungsschlüssel eine derart große Rolle wie in Deutschland.
Gerade die Premier League, eigentlich als Kommerzliga verschrieen, setzt auf Gleichverteilung. Die Liga erwirtschaftet laut 90 Min 1,44 Milliarden Euro aus nationalen Medien-Deals und weitere 1,2 Milliarden Euro aus der Auslandsvermarktung. Nationale Medien-Erlöse werden, wie in der Bundesliga, zur Hälfte paritätisch verteilt. Weitere 25 Prozent werden anhand der Vorjahres-Leistung ausgeschüttet. Und wiederum weitere 25 Prozent als sogenannte Übertragungsvergütung. Denn in der Premier League werden nur 200 der 380 Spiele im Fernsehen gezeigt und jeder Verein erhält im Rahmen der Übertragungsvergütung pauschal 12,5 Millionen Euro für zehn übertragene Spiele sowie weitere 1,25 Millionen Euro, für jede Partie, die darüber hinaus ausgestrahlt wird.
Wichtig ist allerdings: Von den 1,2 Milliarden Euro, welche die Premier League aus der Auslandsvermarktung zieht, werden 92 Prozent zu gleichen Teilen unter den Vereinen aufgeteilt. Das bedeutet einen zusätzlichen Geldregen von 55,4 Millionen Euro für jeden Premier-League-Club; egal ob Meister oder Tabellenschlusslicht.
Italien und Spanien verfolgen einen anderen Ansatz. Auch hier werden laut Silly Season und Chase Your Sport 50 Prozent der Medienerlöse gleichverteilt. Wie in England ist in beiden Ländern jedoch die Säule „Leistung” ebenfalls deutlich weniger gewichtet: La Liga verteilt ein Fünftel der TV-Gelder anhand der Vorjahresplatzierung, die Serie A 30 Prozent. Stattdessen werden 20 Prozent (Serie A), beziehungsweise 30 Prozent (La Liga) nach generierter Reichweite, etwa via Stadion-Besuche, TV-Quote oder Social-Media-Followern, ausgeschüttet.
Wie geht es jetzt weiter?
Will die DFL zukünftig das Interesse an Vereinen höher honorieren, wäre es, mit Blick auf die anderen europäischen Ligen, am einfachsten, die Leistungs-Säule zu kürzen. Doch dies würde einen Aufschrei der kleineren, reichweitenschwächeren Vereine zur Folge haben. Alleine in der Bundesliga gibt es mit Leipzig, Leverkusen, Hoffenheim, Wolfsburg, Augsburg und Mainz einige Vereine, die sich quer stellen würden. Selbst Union Berlin und der SC Freiburg profitieren vom derzeitigen System und würden eine Restrukturierung des Verteilungsschlüssels wahrscheinlich nicht unterstützen. Diese Gemengelage macht signifikante Änderungen schwer bis unmöglich.
Zudem fehlt es dem Team fanintensive Vereine an prominenten Unterstützern außerhalb der eigenen Gruppe. Die Liga-Primen Bayern München und Borussia Dortmund haben in der Vergangenheit kaum Versuche unternommen, den bisherigen Mechanismus zu verändern. Das konnte man etwa am diskutierten Investoreneinstieg sehen: Beide Vereine unterstützten eine Verteilung der Investorengelder anhand eines ähnlichen Prinzips wie die Ausschüttung der TV-Gelder.
Und als dieser mögliche Investoren-Deal schlussendlich scheiterte, war ihre Idee zur Umsatzmaximierung nicht eine Neu-Verteilung der medialen Erlöse – sondern gleich das grundsätzliche Ende der Zentralvermarktung.